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Hilferuf einer afghanischen Para-Sportlerin

18. August 2021

Als zweite Frau aus Afghanistan sollte die Taekwondo-Kämpferin Zakia Khudadadi an Paralympischen Spielen teilnehmen. Der Einmarsch der Taliban in Kabul machte die Reise nach Tokio unmöglich.

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Konflikt in Afghanistan | Kabul
Taliban-Kämpfer patrouillieren in den Straßen KabulsBild: Rahmat Gul/AP Photo/picture alliance

Zakia Khudadadi ist verzweifelt. "Ich bin hier eingesperrt im Haus. Ich kann nicht einmal sicher raus, um ein paar Dinge für mich einzukaufen, zu trainieren, nachzusehen, wie es anderen geht oder um zu überprüfen, ob ich aus dem Wettbewerb ausgeschlossen bin", sagt die afghanische Taekwondo-Kämpferin in einem Video, das der Chef de Mission des eigentlich geplanten afghanischen Paralympics-Teams für Tokio, Arian Sadiqi, an die britische Nachrichtenagentur Reuters weitergab.

Die 23 Jahre alte Khudadadi wollte nach Japan reisen, um dort als zweite Frau aus Afghanistan an den Paralympischen Spielen teilzunehmen. Doch weder sie noch der ebenfalls nominierte Leichtathlet Hossain Rasouli schafften es rechtzeitig aus Kabul heraus, bevor die Taliban die afghanische Hauptstadt einnahmen.

Khudadadi berichtet, dass ihre Familie in der Stadt Herat lebe, die vollständig von den Taliban eingenommen worden sei. "Derzeit wohne ich bei entfernten Verwandten in Kabul, die nicht genug zu essen haben, um ihre eigenen Kinder zu ernähren, und ich bin eine zusätzliche Belastung für sie." Das Video endet mit einem Hilferuf der Sportlerin: "Ich bitte Sie alle, mich als afghanische Frau und als Vertreter aller afghanischen Frauen zu unterstützen. Mein Ziel ist es, an den Paralympischen Spielen Tokio 2020 teilzunehmen. Bitte nehmen Sie meine Hand und helfen Sie mir."

IOC-Mitglied Ashgari: "Tun Sie etwas, bevor es zu spät ist"

Andrew Parsons, Chef des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), zeigte sich betroffen über die Video-Botschaft. "Wenn ich sehe, was in Afghanistan passiert und wie die Träume einer unserer Athletinnen zerstört werden, ist das wirklich traurig und bricht mir das Herz." 

Samira Ashgari, afghanisches Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), appellierte via Twitter vor allem an die USA, die Sportlerinnen aus den Nationalkadern Afghanistans sowie ihre Trainer und Betreuer "aus den Händen der Taliban" zu befreien: "Bitte tun Sie etwas, bevor es zu spät ist!" 

Wild Card erhalten

2016 hatte Khudadadi, die mit nur einem funktionsfähigen Arm geboren wurde, in Ägypten die Afrikanischen Para-Taekwondo-Meisterschaften gewonnen. Die Titelkämpfe standen auch für Teilnehmer aus anderen Kontinenten offen. Das IPC hatte Khudadadi eine Wild Card für Tokio ausgestellt. "Ich war überrascht, aber auch besorgt, denn ich hatte nur zwei Monate Zeit, um mich auf die Spiele vorzubereiten", sagte die Afghanin noch vor wenigen Tagen. "Ich möchte einfach mit den anderen Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt dabei sein und mein Bestes geben."

Auch der 24 Jahre alte Diskuswerfer Rasouli, der seinen linken Unterarm bei einer Minenexplosion verloren hatte, bezeichnete seine Nominierung für die Paralympics als persönlichen "Traum". Wegen der seit Monaten angespannten Lage in Afghanistan hatten weder Khudadadi noch Rasouli an Qualifikationswettkämpfen teilnehmen können. Unter schwierigsten Umständen hatten sie für Tokio trainiert. Sie seien Vorbilder, hatte der afghanische Chef de Mission, Sadiqi, noch in der vergangenen Woche gesagt: "Ihre Anwesenheit in Tokio wird andere Menschen mit Behinderungen ermutigen und motivieren, am Para-Sport teilzunehmen."

Mehr als 2000 Athletinnen und Athleten mit Handicap

Nach einer 2020 veröffentlichten Studie der Asian Foundation haben knapp 14 Prozent der Menschen in Afghanistan schwere Behinderungen. Im Nationalen Paralympischen Komitee des Landes sind nach dessen Angaben mehr als 2000 behinderte Athletinnen und Athleten organisiert. Das Land nahm 1996 in Atlanta erstmals an Paralympics teil. 2004 in Athen war mit der 100-Meter-Läuferin Mareena Karim zum ersten und bis dato einzigen Mal eine Frau aus Afghanistan mit dabei.  

Ihre Vorbildrolle können Zakia Khudadadi und Hossain Rasouli bei den bevorstehenden Paralympics nicht ausfüllen. IPC-Sprecher Craig Spence hatte bereits am Montag verkündet, dass Afghanistan "bedauerlicherweise" nicht an den Spielen in Tokio teilnehmen könne. Auch Khudadadis Hilferuf ändert daran nichts mehr.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter