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Schwedens Seltene Erden: Ein Fund und viele Fragen

Arthur Sullivan
17. Januar 2023

In Schweden liegen Millionen Tonnen Seltenerd- und Batteriemetalle unter der Erde. Für die klimaneutrale Produktion sind diese Rohstoffe enorm wichtig. Kann die EU durch den Abbau ihre Importe aus China verringern?

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Die Seltene Erde Neodymoxid, darin liegt ein kleiner Neodym-Magnet
Die Seltene Erde Neodymoxid: Der Rohstoff wird zur Herstellung der Neodym-Eisen-Bor-Magnete gebrauchtBild: Frank Rumpenhorst/picture alliance

Kürzlich verkündete das staatliche schwedische Bergbauunternehmen LKAB einen Superfund: In der nordschwedischen Stadt Kiruna wurden mehr als eine Million Tonnen Seltene Erden gefunden.

Die Lagerstätte mit dem Namen Per Geijer befindet sich im schwedischen Teil des Polarkreises, der schon seit mehreren Jahrzehnten für seinen Reichtum an Seltenen Erden bekannt ist. Der Bergbaukonzern LKAB betreibt bereits die größte Eisenerzmine in Europa.

Seltene Erden, auch bekannt als Seltenerdmetalle oder Seltenerdoxide, sind eine Gruppe von 17 Schwermetallen, die von besonderer Bedeutung bei der Herstellung von erneuerbaren Energien sowie für Umwelttechnologien und klimaneutrale Produktion sind. Sie werden unter anderem für die Herstellung von Windturbinen und Elektrofahrzeugen benötigt.

Trotz ihres Namens sind Seltene Erden in vielen Teilen der Welt reichlich vorhanden. Abbau und Gewinnung sind allerdings komplex und kostspielig - und auch umweltschädlich.

Import aus China

Obwohl die EU in hohem Maße abhängig von diesen Rohstoffen ist, werden seltene Erden in Europa derzeit weder gefördert noch auf industriellem Niveau verarbeitet. Bisher wurden die Rohstoffe aus China importiert.

China verfügt über die bei weitem größten Seltene-Erden-Reserven der Welt, gefolgt von Vietnam, Brasilien und Russland (siehe Grafik). Auch bei der Veredelung und Verarbeitung von Seltenen Erden liegt China an erster Stelle.

Nach Angaben des US Geological Survey entfielen im Januar 2022 mehr als 60 Prozent der gesamten Seltenen Erden-Produktion auf China, gefolgt von den USA (16 Prozent), Myanmar (neun Prozent) und Australien (acht Prozent).

Noch ein Superlativ?

"Der Fund ist eine gute Nachricht für Europa und das Klima", erklärte LKAB-Exekutivdirektor Jan Moström. Laut Schätzung des Unternehmens ist der Fund einer der größten seiner Art in Europa und könnte zu einem wichtigen Baustein für die klimaneutrale Produktion in der EU werden.

Geographin Julie Klinger ist skeptisch. "Jedes Mal, wenn neue Seltene-Erden-Vorkommen angekündigt werden, werden Superlative bemüht. Deshalb ist es wichtig, sich die Daten genau anzusehen", sagte die Professorin für Geographie an der Universität von Delaware der DW.

"Wenn man sich die Schlagzeilen über Seltene-Erden-Vorkommen in Grönland, Nordkorea, Afghanistan, der Türkei, auf dem Meeresboden und auf dem Mond ansieht, wird immer behauptet, es handele sich um die größten oder um eines der größten Vorkommen", fügte sie hinzu. Der Fund in Schweden müsse überprüft werden.

Grauer Berg davor grüne Bäume
In der Nähe von Kiruna wurden über eine Million Tonnen an Seltenerdoxiden gefundenBild: Steffen Trumpf/dpa

Aufwändige Genehmigungsverfahren

Auch Nabeel Mancheri, Generalsekretär der Global Rare Earth Industry Association, einem Non-Profit Verband von Unternehmen, die mit Seltenen Erden arbeiten, gibt sich zurückhaltend. "Wirtschaftlich gesehen handelt es sich noch nicht um Reserven", erklärt Mancheri der DW. "Es sind noch viele Bohrungen und Tests erforderlich. Wir haben noch nicht alle Informationen über die Qualität der Erze."

Laut Geographin Klinger kann es zwischen zehn und 15 Jahren dauern, bis eine Mine in Betrieb genommen wird. "Das liegt nicht nur an den Genehmigungen, auch wenn diese oft dafür verantwortlich gemacht werden. Es ist eine monumentale bauliche und technische Leistung, eine neue Mine zu eröffnen", erklärt sie.

In der EU existieren hohe regulatorische Hürden für den Abbau und die Produktion wichtiger Rohstoffe. Das schwedische Bergbauunternehmen LKAB fordert angesichts des jüngsten Funds Seltener Erden nun von der EU, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

"Wenn wir klimafreundliche Produktion wirklich vorantreiben wollen, müssen wir Wege finden, diesen Prozess erheblich zu beschleunigen", erklärte LKAB-Direktor Jan Moström nach dem Fund vor der Presse.

LKAB-Chef Moström und Schwedens Energieministerin Busch mit blauen LKAB-Helmen
LKAB-Chef Moström und Schwedens Energieministerin Busch fordern von der EU schnellere GenehmigungsverfahrenBild: Jonas Ekstromer/TT News Agency/REUTERS

Auch für fossile Brennstoffe wichtig

Laut Verbandssekretär Mancheri ist der Betrieb einer Mine jedoch nur die halbe Miete. "Man muss auch die Verarbeitungsindustrie aufbauen", sagt er und meint damit die komplexen und sehr energieintensiven Prozesse der Isolierung und Veredelung von Seltenen Erden.

Nach Ansicht von Experten ist dies eine kritische Frage, da Seltene Erden auch in vielen umweltschädlichen Industrien verwendet werden. "Obwohl in der Öffentlichkeit stets die Bedeutung der Seltenen Erden für grüne Technologien hervorgehoben wird, sind die Rohstoffe auch für die Erdölraffinierung und militärisch-industrielle Anwendungen von Bedeutung", so Klinger.

"Derzeit gibt es weder in der EU noch anderswo eine Politik, die die abgebauten Materialien vor der Vereinnahmung durch andere, weniger klimafreundliche Sektoren schützt", stellt Klinger klar. Selbst das schwedische Staatsunternehmen LKAB oder andere Bergbauunternehmen seien nicht verpflichtet, ihre Produktion an Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien zu verkaufen.

Klinger: "Wenn Bergbauunternehmen wie LKAB verlangen, dass das Genehmigungsverfahren angesichts des Klimawandels beschleunigt wird, muss es EU-Vorschriften geben, die verhindern, dass die Produktion an nicht-grüne Sektoren geht."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Astrid Prange de Oliveira.