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Politik

Raus aus der Dauerkrise?

Antonio Cascais
10. März 2019

In Guinea-Bissau wird am Sonntag (10.03.2019) ein neues Parlament gewählt. 21 Parteien kämpfen um 102 Sitze. Die Wahlen könnten endlich ein jahrelanges Patt der Staatsmachten im westafrikanischen Land beenden.

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Guinea-Bissau Wahlen
Bild: picture-alliance/dpa/M. Cruz

Der mosambikanische Diplomat Gabriel Dava leitet seit sechs Jahren das Büro des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) in Bissau. Erleichterung klingt mit, als er im DW-Gespräch über die bevorstehenden Parlamentswahlen in Guinea-Bissau spricht: "Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ein sehr schwieriger diplomatischer Prozess wird an diesem Sonntag abgeschlossen. Guinea-Bissau hat jetzt die Chance auf einen politischen Neuanfang. Die Zeit des politischen Stillstands findet endlich ein Ende."

Die letzten Jahre seien für Guinea-Bissau verlorene Jahre gewesen, beklagt Dava. Staatliche Strukturen hätten praktisch aufgehört zu existieren. "Mit dem neugewählten Parlament wird die Handlungsfähigkeit des Staates wieder hergestellt", hofft der UN-Diplomat.

Tatsächlich tritt das Land seit 2015 politisch auf der Stelle. Der Grund: Die drei wichtigsten Machtinstanzen des Landes - Regierung, Parlament und Staatspräsident - blockieren sich gegenseitig.

Gabriel Dava, UN-Diplomat, Guinea-Bissau
UN-Diplomat Gabriel Dava hofft auf einen Neubeginn nach den Parlamentswahlen in Guinea-BissauBild: privat

Politische Ränkespiele legten den Staat lahm

Das Drama begann, als Guinea-Bissaus Präsident José Mário Vaz, genannt Jomav, im Sommer 2015 seinen Intimfeind Domingos Simões Pereira als Regierungschef absetzte. Kurz zuvor hatte Pereira die absolute Mehrheit im Parlament verloren, weil ihm 15 Abgeordnete seiner eigenen Partei PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde) die Gefolgschaft verweigert hatten. Eine Intrige, die von langer Hand vorbereitet worden sei, behaupten Pereiras Unterstützer.

Als Präsident Vaz schließlich einen Abgeordneten aus den Reihen der größten Oppositionspartei PRS (Partei der Sozialen Erneuerung) zum Regierungschef ernannte, eskalierte der Konflikt. Parlamentspräsident Cipriano Kassamá ließ die 15 abtrünnigen PAIGC-Abgeordneten aus dem Parlament werfen und verweigert jede Zusammenarbeit mit dem Präsidenten und allen seither von ihm eingesetzten Regierungschefs. Seitdem wird weder über Gesetze noch über Haushaltsvorlagen abgestimmt. Nichts geht mehr im Parlament. Und so hat Guinea-Bissau bis heute auch keine handlungsfähige Regierung.

Wer liegt im Wahlkampf vorn?

Von den 21 zur Wahl zugelassenen Parteien werden der PAIGC, der PRS und einer neuen politischen Formation namens "Madem G15" (Bewegung für eine demokratische Alternative) die größten Chancen eingeräumt. Vor allem der PAIGC, die die letzten Parlamentswahlen 2014 gewonnen hat, wird zugetraut, erneut die meisten Stimmen zu einzusammeln. Die Partei verfügt über die größten finanziellen Mittel, eine relativ professionelle Organisation und den Nimbus einer erfolgreichen Befreiungsbewegung gegen den Kolonialismus. Doch die PAIGC hat ein Problem: Die drei Hauptwidersacher in der politischen Krise - Vaz, Pereira und Kassamá - sind alle Parteigenossen.

Kombibild José Mário Vaz Domingos Simoes Pereira
Differenzen überwunden? Präsident José Mário Vaz (li.) und PAIGC-Parteichef Domingos Simoes PereiraBild: Seyllou/AFP/Getty Images/CPLP

Dennoch präsentiert Parteichef Domingos Simões Pereira, ein in Portugal und den USA ausgebildeter Wirtschaftsfachmann, die PAIGC im Wahlkampf als Garant der Stabilität: "Wir sind die einzigen, die fähig sind, den Rechtstaat wieder herzustellen. Es gibt Leute, die glauben, den Staat entführen und in ein Instrument verwandeln zu können, das privaten Interessen dient. Unsere Partei wird die Ordnung und das Recht wiederherstellen und die Rechte der Bürger schützen", sagte Pereira auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Aufwendiger Wahlkampf: Woher kommt das Geld?

Die PAIGC ist traditionell die mächtigste politische Formation in Guinea-Bissau. Keine Partei verfügt über mehr finanzielle Mittel für den Wahlkampf. Doch die anderen Parteien holen auf. "In Punkto Propaganda hat die PAIGC diesmal ernstzunehmende Konkurrenz bekommen", sagt der guineische Politikwissenschaftler Rui Jorge Semedo im DW-Gespräch. Vor allem der PRS und Madem G15 stünden für diesen Wahlkampf überraschend große logistische und finanzielle Mittel zur Verfügung. "Sie haben in Autos und Motorräder und andere Güter investiert", so Semedo.

Guinea-Bissau Rui Jorge Semedo, Politologe
Politologe Rui Jorge Semedo: Parteienfinanzierung muss transparenter werdenBild: privat

Das Problem: Keiner wisse, wo das viele Geld plötzlich herkommt. Es gebe Vermutungen, dass die Gelder von zweifelhaften Quellen stammen, auch aus dem Ausland, sagt Semedo. "Wir müssen feststellen, dass die einzelnen Parteien mehr Mittel zur Verfügung haben als der Staat. Dem Staat fehlen Transportmittel, Ausstattung für Krankenhäuser und Schulen, während die Parteien finanziell offenbar bestens aufgestellt sind." Er erwarte deshalb, dass die Wahlkommission die Herkunft der im Wahlkampf verwendeten Gelder aufklärt.

Wahlen sind nicht das Ziel, sondern der Anfang

Vier Jahre des Stillstands haben in Guinea-Bissau Spuren hinterlassen. Viele Schulen und Universitäten sind seit Jahren geschlossen, das Justizsystem funktioniert nicht, das öffentliche Gesundheitswesen liegt am Boden. Dem Staat fehlt das Geld für elementarste Aufgaben. Selbst die Wahlen an diesem Sonntag mussten von internationalen Unterstützern finanziert werden.

Gabriel Dava von UNDP mahnt deshalb: "Trotz allem Enthusiasmus muss man sagen, dass die Wahlen an sich nicht das Ziel sein können. Wahlen können nur der Anfang sein." Danach fange die eigentliche Arbeit erst an. Und er nimmt dafür nicht nur die Guineer in die Pflicht: "Es muss sichergestellt sein, dass diese Wahlen ein Wendepunkt sind. Und damit das geschieht, braucht es sehr viel Arbeit, von Seiten der Guineer selbst, aber auch seitens der internationalen Gemeinschaft, damit die Demokratie konsolidiert und endlich eine inklusive und nachhaltige Verwaltung des Landes aufgebaut werden kann."