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Inflation in Deutschland bei fast acht Prozent

30. Mai 2022

Teure Energie und Lebensmittel haben die deutschen Verbraucherpreise im Mai so stark steigen lassen wie seit den frühen 1970er Jahren nicht mehr. Die Regierung streitet nun über Gegenmittel.

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Deutschland | Aral Tankstelle -  Preis für Benzin
Bild: Michael Bihlmayer/CHROMORANGE/picture alliance

Waren und Dienstleistungen kosteten in Deutschland im Mai durchschnittlich 7,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag in einer ersten Schätzung mitteilte. Die endgültigen Ergebnisse will das Statistikamt am 14. Juni vorlegen.

Im April hatte die Teuerungsrate noch bei 7,4 Prozent gelegen. Ähnlich hoch war die Inflation zuletzt im Winter 1973/1974, als infolge der ersten Ölkrise die Mineralölpreise stark gestiegen waren.

"Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind insbesondere die Preise für Energie merklich angestiegen und beeinflussen die hohe Inflationsrate erheblich", erklärten die Statistiker.

So stiegen die Energiepreise um 38,3 Prozent zum Vorjahresmonat. Auch Nahrungsmittel verteuerten sich mit 11,1 Prozent überdurchschnittlich stark. Hinzu kommen Lieferengpässe durch unterbrochene Lieferketten aufgrund der Corona-Pandemie, die noch viele andere Waren teurer machen.

Infografik Steigende Inflationsrate in Deutschland DE
Im April war die Inflationsrate auf 7,4 Prozent geklettert. Im Mai stieg sie nach vorläufigen Berechnungen weiter.

Kurzfristige Entlastung an der Tankstelle

Experten gehen davon aus, dass die Inflationsdruck vorerst sehr hoch bleiben wird. "Bei den von Lieferengpässen getroffenen Gütern und bei Nahrungsmitteln steckt wohl noch etwas Druck in der Pipeline, bevor die Lage sich ab dem Herbst entspannen dürfte", sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. "Der Tankrabatt und andere Eingriffe dürften aber dafür sorgen, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten in Deutschland nicht weiter steigt."

Der Bund verzichtet in den kommenden drei Monaten auf etwa drei Milliarden Euro an Steuern, um Benzin und Diesel von Juni bis Ende August günstiger zu machen. Rein rechnerisch bedeutet dies bei Benzin 29,55 Cent und beim Diesel 14,04 Cent pro Liter weniger. Auch das Neun-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr könnte kurzfristig entlasten.

"Die nun anstehenden drei Monate mit einer steuerlichen Entlastung für Kraftstoffe und verbilligten Nahverkehr sind keine echte Verbesserung, sondern eher das Lehrbuchbeispiel für fiskalischen Aktionismus", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. "Entlastung wird es erst geben, wenn den hohen Energiepreisen Einhalt geboten ist, danach sieht es aber vorerst nicht aus."

Finanzminister sieht "enormes Risiko"

Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht in der Bekämpfung der hohen Inflation derzeit die vorrangige finanzpolitische Aufgabe. "Wir müssen die Inflationsspirale durchbrechen", sagte der FDP-Chef am Montag in Berlin. Entscheidende Voraussetzung dafür sei das "Ende der expansiven Finanzpolitik" der vergangenen Jahre. Da hatte der Bund hohe Schulden aufgenommen, um die Kosten der Corona-Pandemie zu stemmen.

Lindner pochte erneut darauf, die Schuldenbremse 2023 wieder einzuhalten. Die bedeute für die anstehenden Haushaltsberatungen die Rückkehr zu einer "Politik, die mit Knappheiten umgehen muss", sagte der Minister.

"Wir beenden die Sucht nach immer mehr Schulden und Subventionen", so Lindner weiter. Die hohe Inflation sei "ein enormes wirtschaftliches Risiko".

Die stark steigenden Verbraucherpreise belasten zudem die Kaufkraft der Deutschen. Weil die Löhne weniger stark zulegten als die Geldentwertung, sanken die Reallöhne im ersten Quartal um 1,8 Prozent.

Deutschland | Einkaufen in Düsseldorf
Neben den Energiekosten stiegen die Preise für Lebensmittel besonders starkBild: Ying Tang/NurPhoto/picture alliance

Entlastungspakete oder Steuersenkungen?

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) geht davon aus, dass die Reallohnverluste zumindest bis zum Jahresende anhalten. "Im kommenden Jahr ist eine Trendwende möglich", sagte der wissenschaftliche IMK-Direktor Sebastian Dullien der Nachrichtenagentur Reuters.

"Allerdings dürften auch dann nicht sofort alle Reallohnverluste aufgeholt werden, die sich aus der hohen Inflation 2022 ergeben." Deshalb sei es wichtig, dass die Politik mit gezielten Entlastungspaketen helfe, die Kaufkraft der Privathaushalte zu stabilisieren, so Dullien weiter.

Finanzminister Lindner will stattdessen lieber Steuersenkungen durchsetzen. Andere Teile der Regierungskoalition setzten dagegen auf Ausgleichszahlungen wie das "Klimageld", das Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagen hat, um Haushalte unterhalb einer bestimmten Einkommensschwelle zu entlasten. Lindner erteilte dem Klimageld eine Absage, es sei "nicht richtig durchdacht", sagte er. Im Koalitionsvertrag war das Klimageld vereinbart worden, aber ohne konkreten Zeitplan.

bea/hb (rtr, afp)