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Aus für Nationaltrainerin Corinne Diacre

9. März 2023

Nach einer Spielerinnen-Revolte im Nationalteam entlässt der französische Fußballverband Nationaltrainerin Corinne Diacre - viereinhalb Monate vor der Weltmeisterschaft.

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Frankreichs Fußballnationaltrainerin Corinne Diacre blickt skeptisch über die Schulter nach hinten.
Corinne Diacre ist nicht länger Nationaltrainerin Frankreichs Bild: JEAN-FRANCOIS MONIER/AFP via Getty Images

Viereinhalb Monate vor der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) hat der französische Fußballverband FFF die umstrittene Nationaltrainerin Corinne Diacre entlassen. Die Probleme innerhalb der Mannschaft seien "unumkehrbar" geworden, erklärte der Verband. Deshalb sei die Entscheidung gefallen, "die Arbeit von Corinne Diacre an der Spitze des französischen Frauenteams zu beenden". Die ehemalige Nationalspielerin Diacre war seit 2017 Nationaltrainerin der Èquipe Tricolore. Noch am Mittwoch hatte Diacre einen Rücktritt ausgeschlossen. Sie sei Opfer einer "entwürdigenden" Medienkampagne, so die Trainerin.

Wer in ihre Fußstapfen tritt, ist noch offen. Zuletzt fielen unter anderen die Namen Sonia Bompastor, Trainerin des Champions-League-Rekordgewinners Olympique Lyon, Gerard Precheur, Trainer von Paris St. Germain, und Hervé Renard, Trainer der Männer-Nationalmannschaft Saudi-Arabiens.

Letzter Fürsprecher trat zurück

In der vergangenen Woche war der langjährige FFF-Präsident Noel Le Graet zurückgetreten. Dem 81-Jährigen waren unter anderem sexuelle Belästigung und Mobbing vorgeworfen worden, auch die französische Staatsanwaltschaft hatte gegen den Fußballchef ermittelt. Le Graet hatte in der Vergangenheit immer wieder seine schützende Hand über Diacre gehalten. Noch nach dem Halbfinal-K.o. der Französinnen gegen Deutschland bei der EM 2022 in England hatte der Präsident dafür gesorgt, dass Diacres Vertrag bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris verlängert wurde. Mit Le Graets Rücktritt verlor Diacre den letzten Rückhalt.

Frankreichs Nationaltrainerin Corinne Diacre am Spielfeldrand bei einem Freundschaftsspiel im Oktober 2022 in Deutschland.
Nationaltrainerin Corinne Diacre (l.) hat keine Fürsprecher mehr, auch nicht im TeamBild: Eibner/Memmler/picture alliance

Rücktritte von Nationalspielerinnen

Der Druck auf die Nationaltrainerin hatte sich massiv erhöht, nachdem gleich drei Leistungsträgerinnen des Nationalteams ihren Rücktritt erklärt hatten: Abwehrchefin Wendie Renard und anschließend unter Berufung auf die Entscheidung der Kapitänin auch die derzeit besten französischen Angreiferinnen Kadidiatou Diani und Marie-Antoinette Katoto. Später erklärten sich zudem Verteidigerin Perle Morroni und die langzeitverletzte Offensivspielerin Griedge Mbock offen solidarisch mit Renard und Co.

Auch wenn keine der Spielerinnen Diacre beim Namen nannte, wurde klar, dass diese gemeint war. "Ich kann das derzeitige System nicht mehr gutheißen, das von den Anforderungen des höchsten Niveaus weit entfernt ist", begründete Renard ihren Rückzug nach 142 Länderspielen. Katoto erklärte, sie stimme nicht mehr mit dem "Teammanagement und den [von ihm - Anm. d. Red.] vermittelten Werten" überein. Diani machte klar, dass sie wieder bereit sei, für die Équipe Tricolore zu spielen, sobald die "nötigen tiefgreifenden Änderungen" umgesetzt seien. Auch Renard und Katoto ließen sich für diesen Fall eine Hintertür offen.

Disziplinfanatikerin

Corinne Diacre stand seit Jahren wegen ihres autoritären Führungsstils in der Kritik. Nach dem Viertelfinal-K.o. der Französinnen bei der Heim-WM 2019 warf die damalige Teamkapitänin Amandine Henry der Trainerin einen "granitharten und taktlosen" Stil vor. Diacre warf Henry umgehend aus der Nationalmannschaft - mit einem Telefonat, das nach Angaben der Spielerin keine 15 Sekunden dauerte.

Schon als Spielerin war Diacre, die 121 Länderspiele bestritt und zeitweise auch Kapitänin des Nationalteams war, der Ruf vorausgeeilt, fast schon fanatisch auf Disziplin zu setzen. Nach dem Ende der aktiven Karriere machte Diacre 2014 als erste Frau den höchsten Trainerschein der FFF, der sie auch berechtigt, Männerteams zu trainieren.

Bis 2017 betreute sie den französischen Zweitligisten Clermont Foot Auvergne 63, ehe sie zum französischen Verband wechselte. Für den ersehnten ersten großen Titel der französischen Fußballerinnen konnte Diacre nicht sorgen. Noch nie stand eine Équipe Tricolore der Frauen im Finale eines großen Turniers.

Der Artikel  wurde nach der Entlassung Diacres aktualisiert.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter